A̱ben·teu·er, Substantiv [das]: ein Unternehmen, das aufregend und oft auch gefährlich ist. Das spuckt Google aus, wenn man es lieb um eine Definition bittet. Unsere Themenwoche im Seminarfach „Abenteuer Naturwissenschaft“ begann mit dem Leitfaden zum Schreiben einer Facharbeit. Leitfäden begnügen sich in der Regel damit, still auf ihren 32 Seiten zu hocken und den Lesenden Anleitungen und Tipps zu geben – klingt für dich nicht nach den gefährlichsten Zeitgenossen? Spätestens nach zwei Tagen denkst du anders. Bei so einer Facharbeit kann man nämlich verdammt viel falsch machen.
Schon am Mittwoch fanden wir uns aber auf unserer ersten gemeinsamen Exkursion wieder: Im Naturum Göhrde, bei Dr. Erich Bäuerle. Der hat Physik studiert und lange an Wellen geforscht. Heute hat er ein Stück Wiese und einen angrenzenden Wald mit verschiedenen Dingen zum Thema „Wasser, Wirbel, Klang und Wellen“ bestückt. Vielleicht würden wir ja bei ihm ein Thema für unsere Facharbeit finden?
Der Wasser-Teil begegnete uns als Erstes – in Form von nassen Füßen. Aber man wäre ja kein Abenteurer, wenn man an wasserfeste Schuhe gedacht hätte, stimmt’s? In der ersten Hälfte des Vortrages erklärte Dr. Bäuerle uns, wovon es abhängt, wie schnell ein Pendel schwingt – von der Länge der Schnur nämlich, was du unten dranhängst, ist egal. Es sei denn, es ist Styropor. Das ist dann doch zu leicht – und wie man es knoten muss, damit es sich scheinbar willkürlich in alle möglichen Richtungen bewegt.
Das wäre jetzt der Moment, in dem die ersten „Hey, Facharbeit!“ gedacht haben müssten. Oder einfach: „Huui, Schaukeln!“ Mal ehrlich: Eine Schaukel, die nicht stumpf vor und zurück, sondern auch nach links und rechts und schräg vorn und schräg hinten und ein paar Grad hierhin und ein paar Grad dorthin schwingt … – ist das aufregend und gefährlich oder ist das aufregend und gefährlich?
Nach ein paar Minuten Pause zeigte Dr. Bäuerle uns, was passiert, wenn ein Regentropfen ins Wasser fällt – er bildet einen rotierenden Ring, der sich nach unten bewegt und irgendwann aufbricht –, wie sich Sand in einem Wasserstrudel verhält und wie Schwingungen auf dem Wasser einer Klangschale aussehen.
Gegen Mittag waren wir alle wieder zu Hause – reichlich Zeit zum Sachen packen für die nächste Exkursion diese Woche. Paddeln auf der Jeetzel und der Elbe.
Frau Schwarze und Axel Huenges, Begleiter Nummer zwei, hatten eine ganz schöne Zahl an Booten organisiert: insgesamt zwei Kanadier, ein Zweierkajak und neun einzelne Kajaks. Mit denen im Gepäck fuhren wir morgens von Bleckede aus nach Soven, einem Ort in der Nähe von Dannenberg. Von dort aus ging es 15 Kilometer zu Wasser weiter.
Die Jeetzel, muss man wissen, ist mehr oder weniger schmal und mehr oder weniger grün. Gar nicht so leicht, nicht alle paar Paddelschläge im Gebüsch zu landen. Oder sich nicht pausenlos im Kreis zu drehen. Und weil actio est reactio, ist es ganz schön anstrengend, sich durch einen Algenteppich zu paddeln. Physik live.
Gegen vier Uhr nachmittags kamen wir bis auf die Knochen durchnässt in Hitzacker an, genauer im Archäologischem Zentrum. Hier durften wir in einem Nachbau eines Langhauses aus der Bronzezeit übernachten. So ein Langhaus ist lang, aus Lehm, Holz und Schilf und leidet – in unserem Fall – unter dem Besuch von Holzwürmern. „Das ist unser Sorgenkind. Eines Tages wird es zusammenbrechen. Aber ihr braucht keine Angst zu haben“, erklärte uns Andrea, die uns im Zentrum herumführte.
Schließlich endete der Tag mit einem Lagerfeuer. Um das Klischee perfekt zu machen, hätten wir eigentlich noch Gitarrenmusik gebraucht,aber uns fehlte nicht nur die Gitarre, sondern auch der Gitarrenspieler. Also beließen wir es bei selbst gemachten Nudeln mit Tomatensoße. Okay, selbst in den Topf geworfen. Bronzezeit-Nudeln sind dann doch eine andere Geschichte (Facharbeit!).
Ich nehm’s vorweg: Wir sind am nächsten Morgen nicht vom fürchterlichen Krachen eines über unseren Köpfen zusammenbrechenden antiken Langhauses aufgewacht. Sondern vom elektrischen Licht, dassFrau Schwarze um Punkt 6:50 Uhr anknipste.
Wir frühstückten, packten zusammen und befanden uns um halb zehn wieder auf den Wasser, mit Kurs auf die Elbe. Angeblich fließt die Elbe mit vier Stundenkilometern, genug, um hin und wieder in
seinem Kajak vor sich hin zu dümpeln und die Natur zu bewundern. Oder so ähnlich. Aber man muss aufpassen, denn manchmal ist Entenfamilie nicht gleich Entenfamilie, sondern Ast, und Stein nicht gleich Stein, sondern Wildgans. It’s magic-pardon, Naturwissenschaft. Angepasstheit an den Lebensraum. Obwohl es fraglich ist, was es einem Ast nutzt, wie eine Entenfamilie auszusehen (Facharbeit!).
Gegen Mittag brauten sich vor uns die ersten dunklen Wolken zusammen, die verdächtig nach Gewitter aussahen. Deshalb brachen wir unsere Reise verfrüht ab und gingen schon in Neu Darchau an Land, statt in Bleckede.
Gelernt hat jeder von uns mindestens eins: Nimm bei kommenden Bootsausflügen immer drei Garnituren Wechselklamotten und deinen gesamten Sockenvorrat mit – auch wenn du „ganz bestimmt nicht“ baden gehen willst.
Text: Maya Leu